Event Pics - Thrash-Metal-Abend mit Testament und Exodus im Z7 (28.05.2015)
Testament und Exodus - Thrash-Metal-Sturm mit 108 Dezibel
Basel, Anfang Juli 2014. Die berühmteste Thrash-Metal-Band der Welt spielt im größten Stadion der Schweiz vor 30.000 Fans ein Konzert. Die Produktion ist solide, wie es sich für Metallica gehört. Gegen Ende des Auftritts von James Hetfield und Co. werden die Klassiker der Band von den eindrucksvollen Blitzen eines Sommergewitters begleitet, die dem recht Euphorie armen Auftritt dann die Portion "Ride The Lightning" verleiht, die eigentlich fehlt. Der Auftritt ließ viele Fans der ersten Stunde erstaunlich nüchtern zurück. Ganz nett, aber nicht mehr. Alles eine Spur zu glatt, zu professionell, zu klinisch, zu routiniert, teils fast bemüht.
Szenenwechsel. Basel, Ende Mai 2015. Im beliebtesten Metal-Schuppen der Schweiz, dem Z7 in Pratteln, geben sich die Thrash-Metal-Urgesteine Exodus und Testament die Ehre. Obwohl sie in der Szene genauso respektiert sind wie die Big Four Metallica, Megadeth, Slayer und Anthrax, haben sie nie den großen Erfolg erleben dürfen. Und das obwohl die von Kirk Hammett und Schlagzeuger Tom Hunting gegründeten Exodus vielen als die eigentlichen Erfinder des Metal-Subgenres gelten, das Anfang der 80er Jahre in der Bay-Area an US-Westküste ihren Anfang nahm und bald zu einem weltweiten, wenn auch vorübergehenden Siegeszug antrat. Interessant ist neben der Tatsache, daß ein echter Metalhead mindestens eine der fünf, sechs großen Thrash-Metal-Bands lieben muss, eine weitere Sache: Wenn die Pioniere der Bay-Area-Thrash-Szene zusammen auf Tour sind oder sich bei großen Festivals treffen, erinnert alles eher an ein spaßiges Klassentreffen von alten Kumpels. Exodus wurden von Kirk Hammett mitgegründet, der dann nach dem Rauswurf eines gewissen Dave Mustaine (der bekanntlich Megadeth gründete) zu Metallica ging. Ein paar Jahre später stieß Steve Souza von Testament (die damals noch Legacy hießen) zu Exodus, sein Nachfolger war ein gewisser Chuck Billy. Und Exodus Gitarrist Gary Holt ist inzwischen festes Mitglied bei Slayer und tritt dort in die großen Fußstapfen des 2013 verstorbenen Jeff Hannemann. Klar soweit?
Aber genug vom Personalgeplänkel in der Vergangenheit und zurück in die Gegenwart. Vor dem Z7 werden sie mit Stolz getragen, die Kutten, die hellen, verwaschenen Denim Jeans und die ehemals weißen Turnschuhe. An der Garderobe manches Fans gemessen könnte durchaus 1986 sein - ein gutes Gefühl unter Leuten zu sein, die ihr Ding durchziehen ohne sich von aktuellen Trends irritieren zu lassen. Die Schweizer Melodic-Metal-Band Lotrify hat bereits früher als angekündigt gespielt und wird so leider von etlichen Besuchern einschließlich des Autors dieser Zeilen verpasst. Im beinahe gefüllten Z7 nimmt um 20.10 Uhr winkend und unter großem Jubel Exodus-Drummer John Hunting hinter seinem Kit Platz und Exodus legen los. Allerdings ohne ihren langjährigen Gitarristen Gary Holt, der wegen Verpflichtungen mit seiner "Zweitband" Slayer von Kragen Lum von Heathen ersetzt wird. Der deutliche gealterte, verbraucht wirkende Steve Souza, der vor rund einem Jahr in die Band zurückkehrte, eröffnet mit 'Black 13' vom aktuellen Album den Abend. Die fünf Herren sind laut, aber weder der Sound noch das Licht setzt die Band zu Beginn gut in Szene. Dumpf ist der Klang und das Licht kaum vorhanden. Die meisten Fans lassen sich davon nicht irritieren und feiern eine Metal-Party, die aber noch Luft nach oben hätte. Auch bei den Thrash-Krachern 'Iconoclasm' und 'Children Of A Worthless God' sitzen die Riffs zwar punktgenau, aber die Band wirkt bemüht, selbst Souza, der gestenreich versucht, die Stimmung weiter anzuheizen. Bei 'Salt In The Wound' wird noch stolz erwähnt, daß Kirk Hammett eine Solo mit eingespielt hat, beim super-groovigen 'Blacklist' vom 2004er-Comeback-Album "Tempo Of The Damned' scheint das Eis dann endlich gebrochen. Die Soundleute haben nochmals an einigen Reglern gedreht und die Band läuft erfreulicherweise, wenn auch etwas spät, richtig warm und drückt gegen Ende mit 'Body Harvest' nochmal richtig aus Gaspedal. Das Publikum dankt es nach einer guten Stunde Thrash-Party mit versöhnlich-leidenschaftlichem Applaus.
Schon die Umbaupause verspicht Großes für den Auftritt von Testament. Ein metallisches Bühnenbild mit riesigem Banner, Stroboskop-Scheinwerfern und zwei beleuchteten Testament-Skulls im Hintergrund sorgen von Anfang an für die passende Metal-Atomsphäre. Die Band ist von Beginn an voll da, schon die freudig-entspannte Mimik der Musiker spricht eine gänzlich andere Sprache als bei Exodus und der Sound ist gut gemischt und geht voll auf die Zwölf. "The Chief" Chuck Billy hat seinen Mikro-Tomahawk in der Hand und ein fettes Grinsen im Gesicht. Den ganzen Auftritt über hält er sich an seiner eigenwilligen Mikro-Halterung fest und seine jugendlich-euphorische Imitation des Gitarrenspiels hat teils einen fast erotischen Touch. Die anderen Musiker stehen Billy in wenig nach. Langzeit-Bandmitglied und Hauptsongwriter Eric Peterson schreddert seine Signature-Dean-Z-Gitarre lässig an der Hüfte, während sein Kollege Alex Skolnick seine fast klassisch anmutende ESP oft und mit leidenschaftlich-gelassener Geste in die Luft reckt, während seine Finger über sie Saiten rasen. Die coolste Sau des Abends ist aber ohne Zweifel Bassist Steve DiGiorgio mit seinem fast exzentrisch geformten, bundlosen Thor-Bass, mit der er wie einer Waffe herumfuchtelt und auf dem er schonungslos herumhämmert. Seine Posen sind die coolsten - und das nicht, weil er es nötig hätte, um mangelndes Können zu kompensieren. Im Gegenteil, hier stehen mit DiGiorgio, Schlagzeuger Gene Hoglan, genannt "Die Atomuhr", Skolnick und Peterson einige der derzeit besten Metal-Musiker gemeinsam auf der Bühne. Und das merkt man jede Sekunde!
Das Zusammenspiel und die Chemie stimmen und die fünf Herren haben sichtlichen Spaß an ihrem Auftritt - und das reißt natürlich auch das Publikum mit. Schon nach wenigen Minuten bei 'Rise Up' gröhlt das Publikum ausgelassen den Refrain mit - der Schallmesser an der Wand zeigte teilweise über 108 Dezibel an. So muss das krachen bei einem guten Metal-Konzert! Für die zweite Runde der "Dark Roots of Earth Tour" hatten Testament angekündigt, besonders von ihren drei ersten Alben "The Legacy" (1987), "The New Order" (1988) und "Practice What You Preach" (1989) Material zu spielen. Die beiden ersten Alben in ihrer ganzen Länge wurden es aufgrund der knappen Zeit dann zwar leider bei weitem nicht und so war die Setliste ähnlich wie die des Livealbums "Dark Roots Of Thrash". Der einzige kleine Kritikpunkt an dem ansonsten rundum gelungenen Auftritt. Viele Thrash-Metal-Höhepunkte aus den Anfangstagen der Band gab es neben einigen Perlen vom aktuellen Album dennoch zu feiern. Die Titelsongs von "The New Order" und "Practice What You Preach" zelebrierte das Quintett genauso wie das atmosphärische, aber nicht weniger harte 'Trial By Fire'. Abgerundet wurde das rund 85-minütige Set mit weiteren Thrash-Krachern wie 'First Strike Is Deadly' oder 'Souls Of Black' vom gleichnamigen Album. Vielleicht ist der Vergleich vom Metallica Auftritt 2014 und Testament 2015 in Basel nur eine Momentaufnahme und die Kritik deshalb unfair. Vielleicht erwartet man bei Metallica auch mehr, nicht zuletzt wegen der deutlich höheren Ticketpreise. Beide Bands verstehen es schließlich, ihre Fans gelungen und professionell mit einer guten Metal-Show zu unterhalten. Und trotzdem: Die Gesten und Posen wirken bei Testament echter und weniger routiniert, die Energie kommt nicht nur durch die Lautstärke, sondern vor allem durch den glaubwürdigen, energiegeladenen Spaß am Auftritt von Peterson, DiGiorgio und Co zustande. Der kleine Cousin hat die weltberühmte, größere Thrash-Metal-Combo ausgeknockt. Wenn das mal kein Statement ist.
Text: Daniel Frick (Online Magazin whiskey-soda; spezielles Dankeschön der Zusammenarbeit!)
Photos: Daniel Strub (Eventportal schwarzeliste.ch)